UNSER SPIELER MOTASEM HAMMAD ERZÄHLT SEINE GESCHICHTE

Motasem Hammad ist mit 13 Jahren aus Syrien geflohen und fand auf dramatische Weise den Weg in die Ortenau. Mittlerweile gehört er zu den Stammkräften beim Fußball-Verbandsligisten SV Linx.

Der Fußball hat viele Geschichten zu erzählen. Eine überaus bemerkenswerte allerdings ist die von Motasem Hammad, der seit Anfang dieser Saison beim Verbandsligisten SV Linx spielt. Zur Winterpause reflektiert der junge Kicker nicht nur seine erste Halbserie bei den Rheinauern, die Herausforderungen und seine Ziele für die Zukunft, sondern gibt auch Einblicke in seine dramatische Vergangenheit.

„Sicher war es ein durchwachsener Start in Linx“, gibt der sympathische Syrer zu, als er über die sportliche Bilanz spricht. Vor der laufenden Runde war er vom Ligakonkurrenten SC Lahr zu den Linxern gewechselt. „Aber ich bin positiv gestimmt, was die Rückrunde angeht.“ Denn trotz Trainerwechsel in der Vorrunde und den Verletzungen wichtiger Spieler bleibt „Sem“, wie ihn alle nennen, optimistisch. Er betont die Bedeutung des Teamgeistes und der Konzentration aufs Fußballspielen. Zusammenhalt und Fokus bestimmten auch sein Überleben, als er als 13-Jähriger allein nach Deutschland geflüchtet ist.

Motasem Hammad ist nicht nur auf dem Spielfeld ein Gewinnertyp. Seine lebensfrohe und teils extrovertierte Persönlichkeit hat ihm geholfen, sich schnell in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Er lobt die Offenheit und die Freundlichkeit seiner Teamkollegen und den Fans, was den SV Linx in seinen Augen so besonders macht.

„Sem“ teilt aber auch seine sehr persönliche Geschichte, die von Konflikten, Gefahr und Hoffnung geprägt ist. Er kommt ins Erzählen: „2013 hat der Krieg in meinem Heimatland Syrien angefangen. Dann bin ich mit meinen Eltern nach Algerien geflogen, als man noch ein Visum bekommen hat. Die Lebensumstände waren dort allerdings nicht viel besser. Und so hat mein Vater sein gesamtes Erspartes für mich ausgegeben, damit ich irgendwie nach Deutschland komme. Der Weg dahin war sehr hart. Teilweise sind wir gelaufen und teilweise mit dem Schlauchboot übers Meer gefahren. So wie man es aus den Storys in den Zeitungen kennt. Das war mehr als gefährlich – ich würde sagen man hat eine 50:50-Chance zu überleben. Entweder kommt man an und kann sich ein neues, besseres Leben aufbauen. Oder man stirbt auf dem Weg. Aber wenn ich rückblickend darüber nachdenke, bin ich froh diesen Weg gemeistert zu haben und neue Chancen nutzen zu können.“

Seine Flucht führte ihn mit dem Schlauchboot von Libyen nach Italien. Weiter ging es mit dem Zug von Mailand nach Straßburg und von dort aus auf die andere Rheinseite. Das Ziel wäre eigentlich Berlin gewesen, in Kehl wurde er aber festgenommen. Hammad blieb dann in der Ortenau, wohnte in Jugendeinrichtungen, bis er mit 16 mit einem weiteren Flüchtling eine Wohnung bezogen hat. Dort lernte er selbstständig zu werden: Einkaufen, kochen, Schule – alles unter Aufsicht eines Betreuers.

Die Erinnerung macht Hammad nachdenklich: „Darüber zu reden ist das eine. Ich bin froh, dass das alles hinter mir liegt und ich es nicht noch mal erleben muss. Meine Eltern wissen bis heute nicht, was auf der Reise alles passiert ist. Ich möchte nicht, dass sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben.“ Umso beeindruckender, dass er seine Chance genutzt hat. Auf die Frage, was sein Ziel war, als er in Deutschland angekommen war, kontert er lachend: „Spieler des SV Linx zu werden, was denn sonst?“

Natürlich hatte er damals mit 13 noch keine ausufernden Zukunftsgedanken. Schließlich sei jeder Tag erst mal eine Herausforderung gewesen und in erster Linie musste die Vergangenheit bewältigt werden. „Meine erste Priorität war die deutsche Sprache zu lernen, um überhaupt eine Ausbildung machen zu können. Und um in Deutschland bleiben zu dürfen.“ Das hat er geschafft – seine Ausbildung zum Zahntechniker hat er erfolgreich absolviert. „Wie im Fußball muss es auch im Beruf immer vorwärts gehen. Es ist immer Luft nach oben. Ich will mich weiterentwickeln, mir neue Ziele setzen und diese erreichen. Ich bin froh darüber, dass ich die Chance bekommen habe, ein neues Leben in Deutschland anfangen zu können.“

Das schlimmste Kapitel seines Lebens ist mittlerweile abgeschlossen. Nach acht Jahren wurde er eingebürgert, erst dann konnte er wieder seine Eltern sehen. „Es war alles andere als einfach. Aber ich bin froh und auch ein bisschen stolz, nicht daran zerbrochen zu sein. Dabei hat mir auch Fußball sehr geholfen.“ Zunächst schnürte er die Kickstiefel für den TuS Oppenau und landete dann über den SC Lahr in Linx.

Auf die Frage nach seinen nächsten Zielen antwortet Hammad selbstbewusst: „Ich will den Meister als Zahntechniker machen und mit dem SV Linx in die Oberliga aufsteigen.“

Bild: Sven Bilz